14
Jan
2009

An mein Kind

Dir will ich meines Liebsten Augen geben

Und seiner Seele flammenreiches Glühn.

Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn

Verschloßne Tore aus den Angeln heben.



Wirst ausziehn, das gelobte Glück zu schmieden.

Dein Weg sei frei. Denn aller Weisheit Schluß

Bleibt doch zuletzt, daß jedermann hienieden

All seine Fehler selbst begehen muß.



Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren,

Hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz.

Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:

Wer du auch seist, nur eines - sei es ganz!



Du bist, vergiß es nicht, von jenem Baume,

Der ewig zweigte und nie Wurzeln schlug.

Der Freiheit Fackel leuchtet uns im Traume -

Bewahr den Tropfen Öl im alten Krug!


Mascha Kaléko
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