WAS DER WIND IN DEN SAND GESCHRIEBEN
Dass das Schöne und Berückende
nur ein Hauch und Schauer sei,
dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
und viel andre wunderbare Sachen,
dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
nur von Augenblickes Dauer,
nur ein Duft und Windeswehen,
ach, wir wissen es mit Trauer.
Und das Dauerhafte, Starre
ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
glänzendschwere Goldesbarre;
selbst die Sterne, nicht zu zählen,
bleiben fern und fremd, sie gleichen
uns Vergänglichen nicht, erreichen
nicht das Innerste der Seelen.
Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
zugeneigt, stets nah am Sterben,
und das Köstlichste: die Töne
der Musik, die im Entstehen
schon enteilen, schon vergehen,
sind nur Wehen, Strömen, Jagen
und umweht von leiser Trauer,
denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
schwindet schon und rinnt von dannen.
So ist unser Herz dem Flüchtigen,
ist dem Fließenden, dem Leben
treu und brüderlich ergeben,
nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
denen Tau am Blatt der Rose,
denen eines Vogels Werben,
eines Wolkenspieles Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweg geflogen,
denen eines Lachens Läuten,
das uns im Vorübergehen
kaum gestreift, ein Fest bedeuten
oder wehtun kann. Wir lieben,
was uns gleich ist, und verstehen,
was der Wind in den Sand geschrieben.
Hermann Hesse
nur ein Hauch und Schauer sei,
dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
und viel andre wunderbare Sachen,
dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
nur von Augenblickes Dauer,
nur ein Duft und Windeswehen,
ach, wir wissen es mit Trauer.
Und das Dauerhafte, Starre
ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
glänzendschwere Goldesbarre;
selbst die Sterne, nicht zu zählen,
bleiben fern und fremd, sie gleichen
uns Vergänglichen nicht, erreichen
nicht das Innerste der Seelen.
Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
zugeneigt, stets nah am Sterben,
und das Köstlichste: die Töne
der Musik, die im Entstehen
schon enteilen, schon vergehen,
sind nur Wehen, Strömen, Jagen
und umweht von leiser Trauer,
denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
schwindet schon und rinnt von dannen.
So ist unser Herz dem Flüchtigen,
ist dem Fließenden, dem Leben
treu und brüderlich ergeben,
nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
denen Tau am Blatt der Rose,
denen eines Vogels Werben,
eines Wolkenspieles Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweg geflogen,
denen eines Lachens Läuten,
das uns im Vorübergehen
kaum gestreift, ein Fest bedeuten
oder wehtun kann. Wir lieben,
was uns gleich ist, und verstehen,
was der Wind in den Sand geschrieben.
Hermann Hesse
salent - 9. Apr, 10:04