Mascha Kaléko

31
Dez
2009

Rezept

Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
geht es um dich oder ihn.
Dein eignen Schatten nimm
zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruss mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiss deine Pläne. Sei klug
und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
und die Angst vor den Ängsten.

Mascha Kaléko

22
Dez
2009

Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen.



Ich freu mich, daß der Mond am Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, daß ich bin.




In mir ist alles aufgeräumt und heiter:
Die Diele blitzt, das Feuer ist geschürt.
An solchen Tagen erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
- Weil er sich selber liebt - den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
Und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Daß alles so erstaunlich bleibt, und neu!




Ich freu mich, daß ich ...


Daß ich mich freu.




Mascha Kaléko

27
Nov
2009

Kompliziertes Innenleben

DSCF0118

Hinter jedem Abschied steht ein Warten.
Wenn dein Schritt verhallt ist, sehn ich mich.
Wenn Du kommst, ist jeder Tag ein Garten.
– Aber wenn du fort bist, lieb ich dich...

Manchmal seh ich auf zu Sternmillionen.
Ob das Glück stets hinter Wolken liegt?
Ach, ich möchte in den Nächten wohnen,
wo kein "morgen" um die Ecke biegt.

Kommst du, sehn ich mich nach tausend Dingen,
wächst der Abgrund zwischen dir und mir,
Spür ich altes Fernweh in mir klingen.
- Aber wenn du fort bist, gilt es dir.

Unser Schicksal lauert hinter Bergen.
Schönes Jenseits, das wir nicht verstehn.
Unsre Großen gleichen noch den Zwergen,
Und nichts bleibt uns als emporzusehn.

Gibt es Träume, die noch nicht zerrissen,
Gibts ein Glück, das hielt, was es versprach?
Ach, wir Dummen werdens niemals wissen.
Und die Klugen forschen nicht danach...

Mascha Kaléko

2
Nov
2009

Allerseelen

Rekken-051

Ob wohl die Toten im Grabe nichts spüren?
Ob sie nicht dürsten, ob sie nicht frieren…
Ahnen sie nichts mehr von Freude und Trauer,
Sind sie so leblos wie Mörtel und Mauer,
Die ja so meint man, wie Wolke und Wind
- Weiß man es wirklich? – empfindungslos sind.
Sehnen sich Tote nie mehr nach dem Einst?
Wissen sie gar nicht, daß du um sie weinst,
Laut um sie klagst in den sternhellen Nächten,
Mit ihnen bist in den finsteren Schächten,
Wo sie nun liegen mit Erde und Wurm.

In meinen Träumen läutet es Sturm,
Schlägt´s an mein Fenster, rasselt´s an Türen.
- Ob wohl die Toten im Grabe nichts spüren?

Mascha Kaléko

10
Mrz
2009

Langschläfers Morgenlied

Der Wecker surrt. Das alberne Geknatter
Reißt mir das schönste Stück des Traums entzwei.
Ein fleißig Radio übt schon sein Geschnatter.
Pitt äußert, dass es Zeit zum Aufstehn sei.

Mir ist vor Frühaufstehern immer bange.
...Das können keine wackern Männer sein:
Ein guter Mensch schläft meinstens gern und lange.
- Ich bild mir diesbezüglich etwas ein ...

Das mit der goldgeschmückten Morgenstunde
Hat sich nur das Lesebuch erdacht.
Ich ruhe sanft. – Aus einem kühlen Grunde:
Ich hab mir niemals was aus Gold gemacht.

Der Wecker surrt. Pitt malt in düstern Sätzen
Der Faulheit Wirkung auf den Lebenslauf.
Durchs Fenster hört man schon die Autos hetzen.
- Ein warmes Bett ist nicht zu unterschätzen.
... Und dennoch steht man alle Morgen auf.

Mascha Kaleko

14
Jan
2009

An mein Kind

Dir will ich meines Liebsten Augen geben

Und seiner Seele flammenreiches Glühn.

Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn

Verschloßne Tore aus den Angeln heben.



Wirst ausziehn, das gelobte Glück zu schmieden.

Dein Weg sei frei. Denn aller Weisheit Schluß

Bleibt doch zuletzt, daß jedermann hienieden

All seine Fehler selbst begehen muß.



Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren,

Hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz.

Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:

Wer du auch seist, nur eines - sei es ganz!



Du bist, vergiß es nicht, von jenem Baume,

Der ewig zweigte und nie Wurzeln schlug.

Der Freiheit Fackel leuchtet uns im Traume -

Bewahr den Tropfen Öl im alten Krug!


Mascha Kaléko

28
Nov
2008

Kompliziertes Innenleben

Hinter jedem Abschied steht ein Warten.
Wenn dein Schritt verhallt ist, sehn ich mich.
Wenn Du kommst, ist jeder Tag ein Garten.
– Aber wenn du fort bist, lieb ich dich...

Manchmal seh ich auf zu Sternmillionen.
Ob das Glück stets hinter Wolken liegt?
Ach, ich möchte in den Nächten wohnen,
wo kein "morgen" um die Ecke biegt.

Kommst du, sehn ich mich nach tausend Dingen,
wächst der Abgrund zwischen dir und mir,
Spür ich altes Fernweh in mir klingen.
- Aber wenn du fort bist, gilt es dir.

Unser Schicksal lauert hinter Bergen.
Schönes Jenseits, das wir nicht verstehn.
Unsre Großen gleichen noch den Zwergen,
Und nichts bleibt uns als empor zusehn.

Gibt es Träume, die noch nicht zerrissen,
Gibts ein Glück, das hielt, was es versprach?
Ach, wir Dummen werden's niemals wissen.
Und die Klugen forschen nicht danach...

Mascha Kaleko
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